„Das kenn´ ich, ja! Ist aus der Werbung, für ´ne Kaffeesorte“, sagt Driss im französischen Spielfilm Ziemlich beste Freunde, als sein Freund Phillippe ihm eine der Cello Suiten von Johann Sebastian Bach zeigt. Eine Szene, die deutlich zeigt, welche Beziehung viele Menschen inzwischen zur klassischen Musik haben. Eben jene, dass sie diese in Auszügen und Melodien kennen, aber die Stücke nicht etwa benennen, oder gar einem Komponisten zuordnen können, sondern sie aus einem werkfremden Kontext kennen. 
„Das kenn´ich! Das ist aus The Big Lebowsky.“ könnte ein Besucher der Veranstaltung Unoriginal Soundtrack sagen, wenn das Orchester das Lacrimosa aus Mozarts Requiem anstimmt. In ihrem Ablauf würde sich die Aufführung des Requiems nicht sehr vom gewöhnlichen Konzertbetrieb unterscheiden, wären da nicht die bunten Farbflächen, die hin und wieder auf der Leinwand hinter dem Orchester aufblitzen würden. Es sind die gleichen Farben, die sich auch in den ausergewöhnlichen Programmheften wiederfinden lassen. Im Heft verdichten sich die Farben, dargestellt als schmale Striche, zu einem außergewöhnlichen Muster. Es ist die gleiche Art von Muster, welches die Besucher der Veranstaltung schon auf den Plakaten gesehen haben, die Unoriginal Soundtrack beworben haben. Das Geschehen auf der Leinwand kennen sie bereits aus den Werbetrailern, welche die prägnantesten und bekanntesten Ausschnitte des Requiems zeigten, untermalt von verschiedenen, aufleuchtenden Farbflächen. Und genau darum geht es bei Unoriginal Soundtrack: Um Wiedererkennung. Die Veranstaltung und ihre begleitenden medien knüpfen genau an diesem punkt an: Der Wiedererkennung von etwas Bekanntem. Viele Melodien und Harmonien der klassischen Musik sind den Menschen nicht aus ihrem ursprünglichen Werkkontext, sondern aus Filmen bekannt.

Requiem in D Minor, K. 626: VIII. Lacrimosa - Nikolaus Harnoncourt, Mozart : Requiem 1982 Teldec Classics International GmbH, Chor: Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor,Dirigent: Nikolaus Harnoncourt, Orchester: Concentus Musicus Wien, Komponist: Wolfgang Amadeus Mozart

Unoriginal Soundtrack ist eine klassische Konzertreihe, welche sich an ein junges Publikum richtet, das eigentlich eher von der Kunstform des Films, als von der Kunstform der klassischen Musik, angesprochen wird. Die Innovativität der Veranstaltungen von Unoriginal Soundtrack besteht dementsprechend darin, dass die Musik in ihrem jeweiligen filmmusikalischen Kontext aufgeführt wird. Darin liegt der entscheidende Unterschied zu gewöhnlichen Aufführungskonzepten klassischer Musik, welche diese nur in ihrem ursprünglichen Kontext als Konzertmusik aufführen. Unoriginal Soundtrack hingegen bezieht sich auf den Gebrauch der Musik als Fragment im Film und bringt diese zurück in den Konzertsaal in ihr ursprüngliches Gesamtwerk.
Der theoretische Teil der Bachelorarbeit beschäftigt sich mit klassischer Musik. Insbesondere auf deren Einsatz als Filmmusik wurde ein großer Fokus gelegt. Diese Auseinandersetzung sollte vor allem der Beantwortung der Frage dienen, wie durch den Verweis auf den Einsatz der Musik im Film ein neues Publikum für die Klassik gewonnen werden kann. wAuf den Ergebnissen dieser theoretischen Auseinandersetzung mit klassischer Musik im Film entstand die praktische Arbeit Unoriginal Soundtrack. Dabei handelt es sich um ein alternatives Aufführungskonzept klassischer Musik, mit einem klaren Bezug auf deren Einsatz im Medium Film. Durch diesen Blickwinkel auf die Klassik soll diese einem neuen Publikum zugänglich gemacht werden. Intention der Arbeit ist es, eine Brücke vom Kinosaal in den Konzertsaal zu schlagen.
In Abgrenzung zum Original Score oder Original Soundtrack, also jener Filmmusik, die speziell für einen bestimmten Film komponiert wurde, trägt diese Arbeit den Titel Unoriginal Soundtrack. Die Namensgebung grenzt die Arbeit thematisch ein und verdeutlicht, dass es in dieser nicht etwa um Filmmusikkompositionen, also Original Scores oder Original Soundtracks geht, sondern um vorbestehende Werke, welche im Film zitiert und dadurch in einen neuen Kontext gesetzt werden. Der Betrachter der Arbeit versteht schnell, dass unoriginal kein qualitatives Urteil darüber ist, wie einfallsreich und innovativ die Musik ist, sondern im Gegenteil eine vielschichtige und komplexe Musik beschreibt.

Four Seasons, Op. 8 (1987 - Remaster), Spring: Allegro - Itzhak Perlman / Israel Philharmonic Orchestra, Vivaldi : The Four Seasons etc 2002 Warner Classics

Unoriginal Soundtracks grundlegendes Gestaltungsprinzip ist die visuelle Darstellung der Schnittmenge von Film und Musik. Denn sowohl Film, wie auch Musik, sind Künste, in denen Zeit ein zentrales Element darstellt. Dementsprechend zeichnen sich die beiden Kunstformen vor allem dadurch aus, dass sie einen Rhythmus und ein Tempo haben. 
Soll der Rhythmus des Films sichtbar gemacht werden, benötigt es eine klare und reduzierte Darstellung, welche andere Elemente der Filmsprache wie Handlung und Schauspiel ausblendet und sich allein auf das rhythmische Element im Film, nämlich den Schnitt, beschränkt. Nach der Reduktion der jeweiligen Filmszenen auf Filmschnitt und Filmmusik stattgefunden hat, wird die Symbiose der beiden Künste um ein Vielfaches deutlicher und verständlicher als im ursprünglichen Film.
Die Reduktion einer einzelnen Filmszene auf ihren Schnittrhythmus ermöglicht es außerdem, diese mit anderen Szenen zu vergleichen, welche das gleiche vorbestehende, unoriginale Stück als Filmmusik nutzen. Durch die gleichzeitige, also synchrone Darstellung mehrerer Szenen mit gleicher Filmmusik, wird der gemeinsame Rhythmus von Film und Musik noch viel deutlicher. Es wird klar, wie sehr die Musik die unterschiedlichen Szenen beeinflusst und wie sehr sich diese in ihrem Rhythmus ähneln, welcher wiederum stark dem Rhythmus der Musik folgt. Dem Betrachter dieser Darstellung bietet sich ein völlig neues Erlebnis und ein Erkenntnisgewinn, der über das gewöhnliche Erfahren der Filmmusik hinausgeht. Bereits bekanntes Filmmaterial wird durch diese Reduktion auf die Visualisierung der Schnittmenge von Film und Musik zu einer neuen Erfahrung für den Betrachter und soll Ausgangspunkt sein für eine nachfolgende tiefergehende Beschäftigung mit dem ursprünglichen Kontext der Musik. Die dabei entstandene Form der Visualisierung des Schnitts als rhythmisches Element des Films kann auch aus dem ursprünglichen Medium Film heraus auf zweidimensionale Medien übertragen werden. Ähnlich einer Zeitleiste, oder der systematischen Darstellung von Musik als Notenschrift, können die Schnitte sichtbar gemacht werden, um ein abstraktes Muster zu bilden, welches sich im Kontext des Films entschlüsseln lässt.

Carmen Suite No. 2: II. Habanera - London Festival Orchestra, Cesare Cantieri, Bizet: Carmen Suite No.1 & 2 2010 Red Note OMP

Die Plakate bilden ebendiese Schnittmenge von Film und Musik auf zweidimensionalem Raum ab. Anstelle von farbigem Aufleuchten im Film wird der Schnitt durch Striche der jeweiligen Farbe angezeigt. Dargestellt wird der Schnitt in den Filmszenen also durch schmale Striche, auf einer horizontalen Achse, welche den Ablauf der Zeit in Film und Musik darstellt. So ergibt sich ein vierfarbiges Muster aus den Schnitten von vier Filmen, welches den gemeinsamen Rhythmus dieser Filme mit deren Filmmusik abbildet. 
Das Layout und die typografische Gestaltung der Plakate orientiert sich an der üblichen Gestaltung von Kinoplakaten und ist somit bereits ein Verweis auf die filmische Grundlage der Arbeit. Dadurch heben sich die Plakate deutlich von den üblichen, oft einfallslosen und wenig innovativen, Werbeplakaten für Klassikkonzerte ab und sind dank ihrem filmischen Bezug für die junge Zielgruppe ansprechend. 
Zusätzlich zu den Printmedien von Unoriginal Soundtrack entstanden ebenfalls drei kurze Trailer, für den Einsatz in sozialen Medien, oder im Kino. Die Trailer bieten ein Klangerlebnis, welches die gemeinsame Schnittmenge von Film und Musik über das verbindende Element der Zeit hinweg darstellen. Durch dieses Audiovisuelle Erlebnis wird die Intention der Arbeit noch einmal deutlich, insbesondere, da es sich um bekannte musikalische Ausschnitte handelt, die der Zielgruppe aus dem Medium Film bekannt sein dürfte.
Das Logo von Unoriginal Soundtrack ist die Fermate. Dabei handelt es sich um ein Notenzeichen, welches dem Instrumentalisten ein Aushalten des darunter stehenden Tons anzeigt.  Sie eignet sich deshalb als Logo, da sie zum einen ein vorbestehendes Zeichen aus dem Spektrum der Musik ist, genau wie die unoriginale Filmmusik ein vorbestehendes Kunstwerk ist. Über diese Parallele hinaus zeigt die Fermate dem Musiker aber auch das Anhalten der Musik über ihre eigentliche Dauer hinaus an, genau wie die historische Kunstmusik durch ihre Verwendung im Film über ihren eigentlichen Kontext hinaus anhält.
Das Programmheft zur Veranstaltung Unoriginal Soundtrack greift dessen konzeptionellen Grundgedanken visuell auf. Exemplarisch für die allgemeine Gestaltung aller Programmhefte von Unoriginal Soundtrack wurde eine Aufführung von Mozarts Requiem zur Grundlage der Gestaltung des Programmheftes ausgewählt. Die Zeit als verbindendes Element zwischen Film und Musik spielt auch in der Gestaltung des Programmheftes eine Rolle. Bei diesem handelt es sich um ein Leporello. Durch die Verwendung eines Leporellos, anstelle eines mehrseitigen Heftes, wird zum einen die Grundidee verdeutlicht, die Musik als Ganzes zu präsentieren. Anstelle von Fragmenten auf einzelnen Seiten, stehen die Stücke des Requiems nun auf dem voll ausgefalteten Programmheft in direkter Nachbarschaft und Abfolge zueinander und geben einen Eindruck von der Gesamtheit der Requiems. Aus praktischen Gründen verteilen sich der erste Teil und der zweite Teil des Requiems auf die Innen- und Außenseite des Programmheftes, um dieses in der Handhabung im Konzertsaal durch seine Länge nicht zu sperrig zu gestalten. Zum anderen hebt das Leporello als Medium durch die Darstellung einer ununterbrochenen Zeitleiste die zeitliche Komponente heraus. Zudem besteht ein direkter Bezug zu Mozart selbst, da der Name und die Idee des Leporello aus seiner Oper Don Giovanni stammt.
Dieses ungewöhnliche Format des Requiem-Programmhefts bietet dem Konzertbesucher die Möglichkeit, dem genauen zeitlichen Ablauf der Aufführung zu folgen . Gleichzeitig gibt das Leporello die Möglichkeit anhand der visualisierten Schnittmenge und der aufblitzenden Farbflächen auf der Leinwand, Informationen über die Filmszenen zu bekommen, in denen die Musik stattfindet, der er in diesem Moment zuhört.
Das Programmheft teilt sich in drei Ebenen auf: Die mittlere Ebene zeigt die bereits bekannte visualisierte Schnittmenge durch farbige Striche, wie sie auch auf den Plakaten zu finden ist. Anstelle der vier Farben des Requiem-Plakats lassen sich im gesamten Programmheft insgesamt elf Farben finden, welche für elf Filme stehen, die Stücke des Gesamtwerks als Filmmusik nutzen. Es soll auf dieser Ebene in erster Linie um die bildhafte Darstellung der Zeit gehen. Verdeutlicht wird dies zusätzlich durch eine Zeitleiste am unteren Ende der Ebene, welche auf beiden Seiten des Programmheftes den gesamten 47-Minütigen Verlauf des Requiems abbildet. Über dieser Zeitleiste lassen sich die Schnitte der einzelnen Szenen genau dort wiederfinden, wo sie im Gesamtkontext des Requiems auftauchen würden. So bilden die elf Filme ein Schnittmuster, welches große Teile des Innenteils des Programmheftes abdeckt. Der zweite Teil des Requiems wird nur kurz auf der letzten Seite zusammengefasst. Dies liegt daran, dass lediglich der erste Teil des Requiems, also Introitus und Sequenz, in Filmen als Filmmusik genutzt werden. Das Offertorium, das Sanctus, das Benedictus, das Agnus Dei und die Communio finden keine filmische Repräsentation. Anstelle von Schnittmengen wird die mittlere Ebene auf der Außenseite entsprechend mit kurzen Texten zur Entstehungsgeschichte, den Komponisten, sowie dem Orchester gefüllt.
Die obere Ebene des Programmheftes geht auf die Handlung der einzelnen Szenen ein. So gibt sie dem Besucher der Veranstaltung einen kurzen inhaltlichen Einblick in jene Szenen, die der Gestaltung der darunter stehenden Schnittmenge zugrunde liegen. Dadurch ist er in der Lage die Verwendung der Musik, in den jeweiligen Szenen, besser nachzuvollziehen, da er nun nicht nur um den filmischen Inhalt, sondern auch über den musikalischen Inhalt weiß.
Die untere Ebene des Programmheftes gliedert das Requiem in seine 14 Titel. Jedes Stück beginnt genau an der Stelle der darüberstehenden Zeitleiste, an der es auch zeitlich im Verlauf des Konzertes stattfindet. Neben dem lateinischen Titel und einer nebenstehenden deutschen Übersetzung findet auch eine kurze Zusammenfassung des lateinischen Liedtextes statt.
Die Proportionen des Programmhefts und der Bildebene sind ein Zitat an die Kunstform des Films. So ist jede Doppelseite des Leporellos im Verhältnis 1:2,2 angelegt, ein Verweis auf das Filmformat auf der Kinoleinwand, welches die ebendiese Proportionen aufweist. Die Bildebenen jeder Einzelseite haben ebenfalls das Verhältnis 1:2,2.
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